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Gutachten über SNOMED I, SNOMED II Wingert 1984 und 1988 sowie SNOMED III

Im Jahr 1979 wurde das Buch SNOMED Systematized nomenclature of medicine mit zwei Bänden und einem Manual veröffentlicht. Der Editor-in-Chief war Roger A. Côté, Professor of Pathology, University of Sherbrooke, Sherbrooke, Quebec in Canada. Ein Committee on Nomenclature aus 17 amerikanischen Pathologen mit dem Chairman Arthur H. Wells hatte mit Hilfe von 68 Wissenschaftlern aus Amerika und Europa dieses Buch erarbeitet. 1982 erschien ein Update. Im Folgenden werden das Buch und das Update mit SNOMED I zitiert. Diese systematisierte Nomenklatur der Medizin SNOMED I ist eine Datenbank, die aus 44587 Codes mit Termini besteht, die in 7 Dimensionen (fields) aufgeteilt sind: Topographie, Morphologie, Ätiologie, Funktion, Krankheit, Prozedur und Beruf. Beispiele zeigen die Anlagen 2A und 3A.

Herr Prof. Dr. Dipl.-Math. Friedrich Wingert analysierte dieses Werk mit Hilfe von mathematisch-linguistischen Methoden und stellte fest, dass dieses Werk einer computerorientierten Anwendung nicht genügte. Als Direktor des Institutes für Medizinische Informatik und Biomathematik an der Universität Münster standen Herrn Wingert nach einem vorhandenen Personal plan 1978 1 wissenschaftlicher Rat, 7 wissenschaftliche Mitarbeiter, 5 Programmierer, 2 Operateure, 2 Sekretärinnen und 5 Dokumentationsassistenten zur Verfügung. Einige der Mitarbeiter setzte er teilweise zu 50% für die Vorbereitung seiner Analysen ein. In den Jahren 1977 - 1984 schuf Herr Wingert die Voraussetzung, für eine computerorientierte Anwendung von SNOMED I. Als wesentlich erkannte er die Aufgabe, die Termini von SNOMED I aus mathematisch-linguistischer Sicht auf ihre Eignung hin zu untersuchen. Dafür prüfte Herr Wingert mit einem immensen Arbeitspensum jeden der über 44500 Termini von SNOMED I auf Synonymie, Homonymie, Hyponymie und Hypernymie. Er verbesserte und vervollständigte diese Termini im erheblichen Umfang, wie dies weiter unten in 5 Punkten detailliert beschrieben wird. Dabei überwand Herr Wingert die Schwierigkeit, dass die medizinische Nomenklatur von der Anatomie bis zur Psychiatrie, von der Pathologie bis zur Pharmakologie, von der Inneren Medizin bis zur Chirurgie reicht und sich auf mehr als 60 Facharztbereiche bzw. Fachgesellschaften verteilt. Für diese Änderungen der SNOMED I waren nach Schätzungen von Herrn Prof. Göttsche, Münster, weit über 1000 Stunden Rechenzeit an dem Großrechner IBM/3032 der Universität Münster notwendig. Im Jahr 1984 veröffentlichte Herr Wingert das Resultat dieser Arbeiten als die zweibändige deutsche Ausgabe des Buches SNOMED mit dem Untertitel Systematisierte Nomenklatur der Medizin Springer: Berlin, Heidelberg 1984 und das Manual SNOMED Springer: Berlin, Heidelberg 1984. Im Folgenden wird das Buch mit SNOMED II Wingert 1984 und das Manual mit SNOMED II Wingert 1984 Manual zitiert. Dieses Buch enthält die mit der mathematisch-linguistischen Methodik aufbereiteten Termini der systematisierten medizinischen Nomenklatur, wie sie für eine computerorientierte Anwendung unerläßlich sind.

Die vielen Fehler der SNOMED I im mathematisch-linguistischen Bereich infolge der Nichtbeachtung der Eineindeutigkeit zwischen den Termini und den Begriffen führten zu Problemen für eine computerorientierte Anwendung. Die Fälle der Synonymie, Hyponymie, Hypernymie, Homonymie und Kohyponymie der Termini von SNOMED I prüfte Herr Wingert mit Hilfe einer mengentheoretischen Analyse. Herr Wingert gab in dem SNOMED II Wingert 1984 Manual die Definitionen dieser Begriffe, die unmissverständlich sind und deshalb in der Anlage 1 in Kopie beigefügt wurden. Unter Eineindeutigkeit verstand Herr Wingert in der medizinischen Linguistik die Äquivalenz der medizinischen Terminini und der Begriffe ("Bedeutung"). In den Fällen der Synonymie fand Herr Wingert in der SNOMED I eine Unvollständigkeit der in der Medizin gebräuchlichen Termini. Deshalb ergänzte er diese Lücken in der Nomenklatur (Anlagen 2A und 2B Beispiel 1). In den Fällen der Homonymie bemerkte Herr Wingert, dass keiner der Herausgeber und keiner der Mitglieder des Editorial Board von SNOMED I auf dieses Problem reagiert hatten. Herrn Wingerts Strategie bei Fällen der Homonymie wird weiter unten in Punkt 3 beschrieben. Die Problematik von SNOMED I wird in 5 Punkten erläutert:

1.Punkt: Synonymie. Wesentliche Probleme ergaben sich bei der Auswertung der Synonyme der SNOMED I. Synonyme sind bekanntlich verschiedene Wörter für denselben Begriff. In Krankengeschichten, im medizinischen Schrifttum und im Gesundheitssystem wurden und werden viele Synonyme verwendet.
Beispiele 1:
T-87000 Ovary in SNOMEO I (kein Synonym) (Anlage 2A)
T 87000 Ovar(ium) in SNOMEO II Wingert 1984 (Anlage 2B)
  Eierstock
  Oöphoron
  weibliche Gonade
Herr Wingert führte erstmals runde Klammern für Wortteile ein, die optional sind. Ovar(ium) steht sowohl für Ovar als auch für Ovarium.

Beispiel 2:
0-04500 Poliomyelitis in SNOMEO I (kein Synonym) (Anlage 3A)
004500 Poliomyelitis in SNOMEO II Wingert 1984 (Anlage 3B)
  epidemische (spin.) Kinderlähmung
  Heine-Medin Krkht.
  Kinderlähmung
  spinale Kinderlähmung
Herr Wingert führte über 1000 semantisch wichtige Synonyme ein, um die Begriffe durch alle gebräuchlichen Termini zu beschreiben. Wenn bei einem Suchlauf von Patientendokumentationen nicht alle Synonyme einbezogen werden, ist nur ein Teil der gesuchten Angaben zu erwarten. Das Ergebnis kann deshalb unvollständig und/oder falsch sein.

2.Punkt: Wortstämme (Morpheme). Herr Wingert rationalisierte durch die Verwendung von Wortstämmen (Morpheme) die automatischen Suchvorgänge des Computers bei zusammengesetzten Wörtern. Am Beispiel Bronchus sei dies erläutert. Der von Herrn Wingert verwendete Wortstamm für Bronchus ist "bronch" , der unter T 26000 als bronch(i)* gekennzeichnet ist (Anlage 4). Der Buchstabe (i) in runden Klammern ist optional. Zwei automatische Suchläufe mit den Worten Bronchus und Bronchi werden von den 148 mit bronchus und bronchi semantisch verbundenen Bezeichnungen in SNOMED II Wingert 1984 nur einen Teil erfassen. Folgende 18 Termini werden nicht gefunden: M. bronchoesophagus, Ndd. bronchopulmonales, bronchogene Zyste, Broncholithiasis, Bronchopankreose, Bronchosinusitis (-Syndrom), Bronchospasmus, Bronchostenose (-Syndrom), Bronchozele, Dysporia entero-broncho-pancreatica congenit. fam. (GLANZMANN), Gastransportzeitspitze nach Bronchodilatation, posttuberkulöse Bronchostenose und Bronchoektasie des Mittellappens (BROCK), Tracheo-bronchopathia malacica, Bronchophonie, Ägobronchophonie, Bronchopneumonie, pseudolu(et)ische subakute hilifugale Bronchopneumonie des heruntergekommenen Kindes (FANCONI). Mit dem Wortstamm bronch werden alle 148 Termini erfasst. Von den wichtigsten Termini der Nomenklatur bestimmte Herr Wingert nach ausführlichen Testversuchen diese Wortstämme und fügte über 1000 Wortstämme mit einem Sternchen in die Gruppe der Synonyme innerhalb seines Buches SNOMED II Wingert 1984 ein. Endet ein Wortteil mit einem Stern *, so sind alle Wortformen möglich, die dem vorangehenden Textteil ein geeignetes Suffix folgen lassen. In SNOMED I ist kein einziger Wortstamm vorhanden. Mit diesen Wortstämmen (Morphemen) erreichte Herr Wingert erstmals ein einwandfreies Verfahren u. a. zur Verarbeitung zusammengesetzter Wörter.

3. Punkt: Homonymie. Ein Homonym ist ein Wort für verschiedene Begriffe (Beispiel: Schnecke ist "Teil des Innenohres" und "ein Tier"). Beispiel 3:
0 36190 SIEMENS-Syndrom [1] und
036300 SIEMENS-Syndrom [2] in SNOMED 11 Wingert 1984.
Das Synonym ist von Herrn Wingert durch eine laufende Nummer in eckigen Klammern gekennzeichnet worden (Anlage 5A und 5B). In SNOMED I sind keine Homonyme gekennzeichnet.

4. Punkt: Redundanzen Ein Grundsatz der Klassifikation ist, dass jeder Begriff nur einen alphanumerischen Code hat, um eine eindeutige Beziehung zwischen Terminus und Begriff herzustellen. Jeder zusätzliche Code für ein und denselben Begriff vergrößert den Suchaufwand um 100%. Herr Wingert korrigierte die redundanten Termini in SNOMED I.

Beispiel 4:
F-13040 Collagen in SNOMED I (Anlage 6A)
T-1X050 Collagen in SNOMED 1 (Anlage 6B)
F 13040 Kollagen T 1X050 in SNOMED 11 Wingert 1984 (Anlage 6C)
Herr Wingert löschte über 800 redundante Termini in SNOMED II Wingert 1984 und 1988, die in der Anlage 60 von Herrn Prof. Repges, Aachen, ausgedruckt wurden. Mit diesen Streichungen redundanter Termini hat Herr Wingert die Nomenklatur schlüssiger gemacht.

5. Punkt: Ergänzungen und Verbesserungen. Im Ganzen erweiterte Herr Wingert trotz der Streichungen die Anzahl der Termini von 44587 in SNOMEO I um etwa 81 % auf etwa 80500 Termini in SNOMEO II Wingert 1984. Die quantitativen und die qualitativen Veränderungen von SNOMED I führten zu einer neuen Datenbank, die insbesondere für computerlinguistische Ansätze neue Möglichkeiten für eine medizinische Nomenklatur eröffnete. Damit ist Herr Wingert einer der ersten Wegbereiter für die computerorientierte Anwendung einer multilingualen medizinischen Fachsprache gewesen.

In den Jahren 1984 - 1988 widmete sich Herr Wingert weiteren intensiven Forschungsarbeiten mit dem Ziel, Daten aus medizinischen Kliniken mit Hilfe einer verbesserten und vervollständigten Version der SNOMED computerorientiert zu indexieren. Seine Forschungsergebnisse teilte er schriftlich, telephonisch und vor allem in Form von Magnetbändern meistens Herrn Prof. Rothwell und Herrn Prof. Côté mit. Diese Informationen sollen (zur Unterscheidung vom Buch SNOMED II Wingert 1984) mit SNOMED II Wingert 1988 bezeichnet werden. Das Buch SNOMED International, das von den Herausgebern Roger Côté, David Rothwell und Ronald Beckett im Jahr 1993 veröffentlicht wurde, wird mit SNOMED III zitiert. Herr Wingert erkannte schon beim Schreiben seines Buches SNOMED II, daß er eine große Zahl von Grundbegriffen neu aufnehmen musste, deren Aufgabe es war, als Zusätze der Termini einiger Dimensionen zu fungieren. Er schlug deshalb dem Editorial Board vom SNOMED III vor, eine neue Dimension, die G-Dimension (G = general), einzuführen. Diese kombinierbaren Grundbegriffe dienten der Präzisierung der Termini der anderen Dimensionen. Diese von Herrn Wingert vorgeschlagene G-Dimension ist als General Linkage/Modifier im SNOMED III prinzipiell übernommen worden.

Beispiel 5:
TO0322* dex., dexter dextro*, re., recht(e)s, Rechtskrümmung in SNOMED II
Wingert 1984 (Anlage 7 A)
TO0321 * sin., laev(o)*, li., link(e)s, Linkskrümmung, sinister, sinistro*,
TO0319* (Facies) ant., ante(rior), (Facies) ventr., ventral(is), vorder, Vorderfläche
TO0315* (Facies) dors., Dorsalfläche, dorsal(is), (Facies) post., hinten, hinter, Hinterfläche,
poster*, Rückfläche

Beispiel 6:
G-A 100 Right, Right lateral, Dextro in SNOMED II1 (Anlage 7B)
G-A 101 Left, Left lateral, Levo-
G-A 105 Anterior, Ventral, Front of, Forward
G-A 106 Posterior, Dorsal, Behind, Retro-, Back of, Backward

In der Anlage 8 stellte Herr Prof. Repges, Aachen, aus den Unterlagen SNOMED II Wingert 1988 550 Termini der G-Dimension zusammen, die Herr Wingert dem Editorial Board der SNOMED II zur Aufnahme angeboten hat. Ich habe diese Liste geprüft und für richtig befunden.

Herrn Wingerts mathematisch-linguistische Analyse umfasste gleichberechtigt die deutschen und englischen Termini. Auch diese Listen der. SNOMED-Relationen sandte Herr Wingert an Herrn Prof. Rothwell. In diesen Listen ist innerhalb jeder Zeile an der dritten Position die Sprachzugehörigkeit angegeben:
• * nur deutsch
• blank nur englisch
• + deutsch und englisch.
Damit liessen sich ohne besonderen Aufwand eine englischsprachige Version des automatischen Indexierungsprogramms für SNOMED III erzeugen, die Herr Prof. Göttsche, Münster, am 20.7.1995 auf der Tagung der SNOMED International User Group in Vancouver vortrug. Außerdem brachte diese Methode über 300, meistens orthographische Fehler der SNOMED III zum Vorschein. Diese Liste der Korrekturen übergab Herr Prof. Göttsche persönlich Herrn Prof. Rothwell 1995. Im Anschluss an den Kongress wurde diese Liste in Münster am 4.8.1995 neu ausgedruckt (Anlage 8A) Orthographische Fehler sind Kardinalfehler für eine computerorientierte Verwendung von SMOMED, weil ein Computer, dem ein Suchlauf mit einem falsch geschriebenen Terminus eingegeben ist, nicht den richtigen Terminus finden kann.

Herr Wingert verfügte über eine außergewöhnliche Begabung, mathematischlinguistische Probleme in Computersprachen zu formulieren. Für die Segmentierung, Indexierung und Pflege der Termini von SNOMED schrieb Herr Wingert eigenhändig 85 Programme, damals vorwiegend in der Programmiersprache PL/1 und einige häufig benutzte Unterprogramme in der schwierigen Assemblersprache des Systems IBM/360. Der Umfang dieser Dateien für die Wortstämme lag bei etwa 40 000 Segmenten in Höhe von etwa 680 000 Bytes und für SNOMED - Definitionen bei etwa 100 000 Zeilen bei etwa fast 4 000000 Bytes. Damals war dieser Umfang von Dateien nur auf einem Großrechner wie der JBM/3032 zu bewältigen.

Wie groß der Umfang der von Herrn Wingert bis 1988 geleisteten Forschungsarbeit ist, zeigen exemplarisch vier Listen, die Herr Prof. Repges, Aachen, zusammengestellt hat. Anlage 9 gibt 786 Morpheme (Wortstämme) an, die Herr Wingert für die deutsche und englische Fachsprache entwickelt hat. Anlage 10 zeigt 1661 Homonyme, die Herr Wingert durch eine laufende Nummer in eckigen Klammern gekennzeichnet hat. In der Anlage 11 A sind 834 neue Codes aufgelistet, die Herr Wingert zur Vervollständigung von SNOMED 1II vorschlug. Alle diese Termini prüfte Herr Wingert auf Praxistauglichkeit. An den Termini der T -Dimension hat Herr Prof Repges verglichen, wieviele der Vorschläge von Herrn Wingert vom Editorial Board der SNOMED III akzeptiert worden sind. Anlage 11 B zeigt diese Liste der 317 Termini der T -Dimension. Das Editorial Board übernahm danach 196 Termini, also über 60% der Vorschläge von Herrn Wingert. Ich habe diese vier Listen getestet und für richtig befunden.

Beweise der engen Kooperation zwischen dem Editorial Board der SNOMED III und Herrn Wingert bringen drei Dokumente:
1. der Brief vom 8.10.1985 von einem der Herausgeber der SNOMED fll Prof. David Rothwell (Anlage 12)

2. die Aktennotiz vom 27.10.1986 über ein Treffen der drei Herausgeber von SNOMED III: Prof. Roger Côté, Prof. David Rothwell und Prof. Ronald Beckett mit Herrn Prof. F. Wingert in Washington (Anlage 13)

3. die Dokumentation vom 12.-15.9.1988 über das Zusammenlegen der drei Vorträge von Prof. Rothwell, Prof Gote und Prof. Wingert anlässlich der International Working Gonference on Computerized Natural Medical Language Processing in Genf (Anlage 14).

ad 1. Zur Vorgeschichte des Briefes vom 8.10.1985 ist folgendes zu berichten. Herr Prof. Rothwell besuchte in der Zeit vom 25.-29.8.1985 den Kongress Medical Informatics Europe in Helsinki und hörte den viel beachteten Vortrag von Herrn Wingert "Automated Indexing Based on SNOMED". Herr Rothwell war so angetan, daß er anschließend nach Münster an das Institut für Medizinische Informatik und Biomathematik reiste, das Herr Wingert als Direktor leitete. Herr Rothwell brachte 25 medizinische Diagnosen aus einem amerikanischen Krankenhaus mit, um mit der Software von Herrn Wingert eine Konversion in die SNOMED zu testen. Herr Rothwell schrieb einen Brief an den Direktor des National Institute of Health Dr. Donald Lindberg: "He (Prof. Wingert) has in effect created a machine readable version of SNOMED in German. It consists of all of the words, word roots and inflections that are present or needed in SNOMED to automatically process and convert diagnostic phrases or sentences to their structured SNOMED codes." "He started the Medical Institute, which he heads, translated SNOMED to German and wrote this software all without help from others - a significant accomplishment. I would be highly interested in developing and extending these programs for SNOMED in English." (Anlage 12)

ad 2. Die Aktennotiz vom 27.10.1986 über ein Treffen der drei Herausgeber von SNOMED III: Prof. Côté, Prof. Rothwell und Prof. Beckett mit Herrn Prof. Wingert in Washington D.C. enthält folgende Angaben (Anlage 13) "Besprechung über die zukünftige SNOMED-Entwicklung, Washington, den 27.10.1986 Teilnehmer: D. Rothwell R. Côté R. Beckett F. Wingert Es wird vereinbart, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre von den vier Teilnehmern der Besprechung der Entwurf einer 3. Auflage der SNOMED fertig gestellt wird.
Folgende Schritte wurden besprochen:
1.)Ergänzung der morphosyntaktischen Analyse für Englisch in dem Umfang, wie er für die englische SNOMED benötigt wird.
2.)Erstellung einer Rootkonkordanz für die englische SNOMED.
3.)Liste aller redundanten Eingänge in der englischen SNOMED.
Diese drei Aufgaben der morphosyntaktischen Analyse, der Erstellung einer Rootkonkordanz (Morpheme) und einer Liste redundanter Eingänge für die englische Sprache sowie die Punkte 4 -12 der Anlage 13 sind die logischen Konsequenzen, die aus den Forschungsarbeiten von Herrn Wingert resultierten. Hervorzuheben ist, dass die von Herrn Wingert vorgeschlagene G-Dimension ebenfalls erwähnt wurde.

ad 3. Die Dokumentation vom 12.-15.9.1988 hat folgende Vorgeschichte: Herr Prof. Rothwell, Herr Prof. Côté und Prof. Wingert hatten drei Vorträge angekündigt (Anlage14). Durch den unvorhergesehenen Tod von Herrn Wingert vereinten die Herren Rothwell und Côté die drei Vorträge zu einem Vortrag unter dem Titel "F. Wingert, D. Rothwell, R. Côté (FRG/USA/Canada) Automated Indexing into SNOMED and ICD". Es ist ein wissenschaftlicher Brauch, wenn die Autorennamen im Titel eines Vortrages mehrerer Autoren von der alphabetischen Reihenfolge abweicht, dass dem erstgenannten eine führende Rolle zuerkannt wird. Die Herren Côté und Rothwell haben damit den Leistungen von Herrn Wingert vollen Respekt erwiesen. Außerdem hat Herr Côté als Herausgeber dieses Bandes mit veranlasst, dass dieser Band Herrn Wingert mit einem Foto und einer Würdigung seiner großen Verdienste auf dem Gebiete der medizinischen Linguistik gewidmet wurde (Anlage 14). Dieser Band wurde 1989 bei EIservier in Amsterdam mit der ISBN Nummer 0 444 87356 2 veröffentlicht.

Die Publikationsliste von Herrn Wingert weist im Übrigen aus, dass seine Veröffentlichungen in international anerkannten Zeitschriften wie Methods of Information in Medicine und Medical Informatics erschienen sind (Anlage 15). Eine wegweisende Publikation Medical Linguistics: Automated Indexing into SNOMED erschien in Medical Informatics. Der Referent war David Rothwell (Anlage 16).

Herr Wingert begründete mit seiner mathematisch-linguistischen Analyse, dass eine computerorientierte Anwendung von SNOMED erst dann praxistauglich ist, wenn die Termini der SNOMED drei mengentheoretische Forderungen erfüllen: Eindeutigkeit, Vollständigkeit und Freiheit von Redundanz. In diesem Zusammenhang ist eine kritische Beurteilung von SNOMED III folgende: die auf Initiative von Herrn Wingert oben angeführten Beispiele wie die G-Dimension und teilweise die Synonyme wurden in SNOMED III aufgenommen. Die Zahl der Termini von SNOMED III wurde auf 130 580 vergrößert. Es fehlte jedoch die Einhaltung der geschilderten mengentheoretischen Prinzipien, um eine korrekte computerorientierte Anwendung von SNOMED III zu ermöglichen. Es finden sich in SNOMED III nur unzureichend Morpheme, keine Sonderbehandlung und keine Kennzeichnung der Homonyme und keine ausreichende Zahl von Synonymen. Beispielsweise fehlen weitgehend in SNOMED III lateinische Synonymnamen, die in der internationalen medizinischen Literatur teilweise gebräuchlich sind. Offensichtlich gab es keinen mathematischlinguistisch versierten Wissenschaftler im Editorial Board der SNOMED III, der diese Versäumnisse der Kommissionen korrigieren konnte.

Zusammenfassung: Die intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen von Herrn Wingert für die neue Datenbank SNOMED Wingert 1984 basieren auf drei seiner kreativen Fähigkeiten:
1.Die subtile Kenntnis der medizinischen deutschen und englischen Fachsprache. Das führte ihn vor allem zur Ermittlung der in der klinischen und ärztlichen Praxis verwendeten Synonyme.
2.Die meisterhafte Beherrschung der in den Jahren 1973 bis 1988 zur Verfügung stehenden Hard- und Software. Dies war vor allem der Großrechner IBM/3032 der Universität Münster, das DOS-Betriebssystem und die Programmiersprache PL/1.
3.Die exzellenten kreativen Fähigkeiten in der Entwicklung geeigneter Algorithmen zur Beherrschung mathematisch-linguistischer Probleme. Herr Wingert ließ sich die Krankengeschichten einiger Medizinischen Kliniken der Universität Münster geben. Er konnte diese Daten mit Hilfe der von ihm entwickelten Programme und seiner SNOMED II Fassung erfolgreich indexieren. Die wissenschaftliche Leistung und die Schöpfungshöhe für SNOMED II Wingert 1984 und 1988 ist dadurch ausgezeichnet, daß er in kreativer Weise diese drei geschilderten Fähigkeiten integrierte. Der personelle und der technische Aufwand mit einem Großrechner für die neue Datenbank SNOMED II Wingert 1984 ist am Anfang dieses Gutachtens detailliert beschrieben. Das Ergebnis sind mathematischlinguistische Grundlagen (Anlage 16), die bisher von keinem im mathematischlinguistischen Bereich von SNOMED in gleicher oder ähnlicher Weise erbracht worden sind.

Außer diesen gutachterlichen Äußerungen erlaube ich mir einige Bemerkungen zur Persönlichkeit von Friedrich Wingert, da ich als Wegbegleiter seinen gesamten akademischen Lebensweg von seiner Promotion bis zu seinem frühen Tod 1988 erlebt habe. 1969 legte Herr Wingert die ärztliche Prüfung mit der Note sehr gut ab. In den Jahren 1966 - 1969 fertigte Herr Wingert unter meiner Leitung seine Dissertation an (Prädikat: summa Cum laude). Herr Wingert war mit weitem Abstand der beste, kreativste und intelligenteste Wissenschaftler unter meinen über 50 Promoventen. Er beherrschte viele medizinische Fächer genauso kompetent wie die Biomathematik und Informatik. 1969 wurde Herr Wingert für seine medizinische Promotionsarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Preis ausgezeichnet. 1970 schloss er sein Studium der Mathematik sehr erfolgreich ab. 1971 habilitierte er sich an der Medizinischen Hochschule Hannover für Medizinische Informatik und Biomathematik. Mit 33 Jahren wurde er zum Direktor des Institutes für Medizinische Informatik und Biomathematik der Universität Münster auf den dortigen Lehrstuhl berufen. Seine Vorträge, Bücher und über 100 wissenschaftlichen Publikationen zeugen von seiner hohen Kompetenz, wissenschaftlichen Genauigkeit, mathematischen Präzision und außerordentlichen Kreativität. Seine außergewöhnlichen Leistungen, die er mit der computerorientierten Anwendung der medizinischen Nomenklatur gezeigt hat, erklärt sich aus seiner großen Persönlichkeit und seinen profunden zugleich medizinischen und mathematischen Kenntnissen und Fähigkeiten.

(Prof. Dr. H.-J. Kretschmann)
Ehemaliger Direktor der Abteilung Neuroanatomie
der Medizinischen Hochschule Hannover